Upcycling – alt, aber noch gut!

Bett aus Palettenholz
© istock/kinemero
Wohlstand und Warenproduktion haben in den vergangenen 50 Jahren in den reichen Industrienationen gewaltige Berge voller Müll produziert. Mittlerweile sind die Menschen allerdings aufgewacht und interessieren sich mehr und mehr für die schockierenden Konsequenzen, den diese gewaltige Menge an weggeworfenen Materialien und Abfällen, die jedes Jahr auf den Mülldeponien landen, produzieren. Schon lange gibt es deshalb das Verfahren, diese Sachen zu recyclen, was nichts anderes bedeutet, als dass die Einzelbestandteile eines Produktes wiederverwertet werden.

Ziemlich neu ist hingegen das Verfahren des Upcyclings. Dabei werden nämlich alte Produkte gar nicht erst in ihre Grundmaterialien zerlegt, sondern im Ganzen neu aufpoliert und umgewandelt. Leere Plastikflaschen werden so zu Lampenschirmen, Euro-Paletten zu Möbeln oder LKW-Planen zu coolen Umhängetaschen. Wir von CARLMARIE wollen diesem neuen Nachhaltigkeits- und Öko-Trend auf die Spur gehen und klären, was Upcyling eigentlich ist, wer diese Idee wann in die Welt gebracht hat, was es vom Recycling unterscheidet und innerhalb welcher Communities man sich am besten darüber informieren kann. Außerdem wollen wir gesondert auf Upcycling in der Textilbranche und die besten Ideen zum selber Upcyclen eingehen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Upcycling?

Upcycling ist nicht nur die Praxis, alte Materialien in brauchbare neue Objekte umzuwandeln, sondern es ist vor allem auch der Prozess, lange benutzten und ans Herz gewachsenen Gegenständen neues Leben einzuhauchen. Dabei wird gleichzeitig etwas Nützliches, Funktionales und Schönes geschaffen, was außerdem in seiner Herstellung wirkungsvoll umweltfreundlich ist. Upcycling ist also eine bestimmte Art des Recyclings, bei dem Abfallstoffe oder unbrauchbare Gegenstände in etwas Höheres oder Hochwertigeres als die Originalprodukte verwandelt werden. „Downcycling“ zum Vergleich ist das Gegenteil von Upcycling: Abfallstoffe oder unerwünschte Produkte werden in neue Produkte von geringerer Qualität umgewandelt. Nehmen wir zum Beispiel recycelten Kunststoff, der eingeschmolzen und mit anderen Kunststoffen vermischt wird. Dieser wird wahrscheinlich nicht mehr so robust und haltbar sein wie die ursprünglichen Kunststoffe, aus denen es hergestellt wurde. Am Konzept des Upcyclings kann sich im Prinzip jeder beteiligen, was diesen Trend in den vergangenen zwei Dekaden schon fast revolutionär gemacht hat. Dabei geht es vor allem um das Thema Sparsamkeit, Eindämmung des konsumistischen Verhaltens der Überfluss- und Wegwerfgesellschaft und der damit einhergehenden Schonung der Natur und des Klimas. Werden neue Gegenstände aus alten hergestellt, gibt es auch eine geringere Nachfrage nach diesen Materialien, was eine Verringerung der Luftverschmutzung, der Wasserverschmutzung und der Treibhausgasemissionen bedeutet. Damit werden kostbare globale Ressourcen geschont. Durch das Upcyclen von Produkten wird Geld gespart, die Kreativität gefördert und Gemeinschaftsgefühl hergestellt. Mittlerweile gibt es auf Instagram, Facebook oder anderen Social Media Kanälen zahlreiche Communities, die dort unter Begriffen wie „Upcycling Community“, „Vaude“ oder „Ultimaker“ ihre besten Ideen und Anregungen zum Thema „Upcycling“ weitergeben.

Geschichte des Upcyclings

Der Begriff „Upcycling“ wurde bereits im Jahr 1994 erstmals verwendet, als sich der deutsche Ingenieur Reiner Pilz in der Zeitschrift „Salvo“ kritisch über das Recycling äußerte. Pilz übte in diesem Artikel vor allem Kritik am Recycling von Baustoffen und bezeichnete die Wiederaufbereitung von Abfall als eine Art „Downcycling“ bei dem die Qualität der Baumaterialien mit jeder Weiterverwendung immer stärker abnehme. Laut seiner Sichtweise würden verwendbare Rohstoffe so „abgewertet“, sodass man fast schon von Zerstörung sprechen könne. Seine Forderung: Rohstoffe müssten aufgewertet, also „upgecyclet“ werden, ein Produkt mit einem höheren Wert als des ursprünglichen zu erlangen. In dem Interview sagte Pilz wörtlich: „Es ist nicht Recycling, ich nenne es Downcycling. Sie zertrümmern Steine, sie zertrümmern alles. Wir brauchen Upcycling, bei dem alte Produkte nicht weniger, sondern mehr Wert bekommen.“ Der Architekt und Designer kann somit als Vater des „Upcycling“ gesehen werden.

Mit ihm waren Gedanke und Begriff in der Welt, brauchten aber noch eine ganze Dekade, um Wirksamkeit zu erzielen. Vor allem die sorglosen Jahre des E-Commerce und der aufkommenden umfangreichen Nutzung des Internets verhinderten eine größere Popularisierung. 1997 veröffentlichte dann der Autor Gunter Pauli ein Buch mit dem Titel „Upcycling-Konzept“. Dieses Werk war eine genaue Erklärung des von Pilz erschaffenen Konzepts. Doch erst die Einarbeitung dieser Inhalte in das 2002 von William McDonough und Michael Braungart erschienene Buch „Cradle to Cradle“ machte das Konzept des „Upcycling“ auch in der englischsprachigen Welt bekannt. Heute ist die Idee so erfolgreich, dass Produkte mit dem Begriff „upcycled“ jedes Jahr mehr Aufrufe auf Google erzeugen, als im Jahr zuvor.

Spielzeug aus Blech und der Einfluss der Dadaisten

Mittlerweile ist klar, dass Upcycling zwar ein neuer Begriff ist, aber eigentlich kein neues Phänomen. Upcycling war vor allem in Mangelgesellschaften und in Not- und Kriegszeiten ein weitaus praktiziertes Konzept der Wiederaufarbeitung von bereits existierenden aber nicht mehr funktionstüchtigen Produkten. Noch heute können wir zum Beispiel sehen, wie in Kriegsgebieten wie Syrien zum Beispiel Spielzeug aus altem Blech- oder Elektronikmüll produziert wird, ohne dass die Hersteller jemals etwas vom Konzept des Upcyclings gehört hätten. Auch während des 1. und 2. Weltkrieges nähten erfinderische und fleißige Hausfrauen für ihre Töchter gebrauchte Mehlsäcke in Kleider und Röcke um. Essensreste wurden zu reichhaltigem Dünger kompostiert und Lumpen und unterschiedliche Stoffstücke zu Steppdecken oder Teppichen umgewandelt. Upcycling beschränkt sich außerdem nicht nur auf die industrielle Anwendung, sondern ist auch ein bereits lange bekanntes Konzept in der Kunst. Im frühen 20. Jahrhundert entstand die avantgardistische Kunstbewegung „Dadaismus“, die die Grenzen zwischen dem, was wir als „Müll“ und als „Kunst“ betrachten, verwischte. Marcel Duchamp zum Beispiel baute gefundene Gegenstände zu vorgefertigten Kunstwerken um und verwendete dabei von einem alten Fahrradrad bis zu einer Metallgarderobe alles, was er finden konnte.

Der Unterschied von „Recycling“ und „Upcycling“

Zwischen „Recycling“ und „Upcycling“ gibt es einige entscheidende Unterschiede. Beim Recycling werden Abfälle, in der Regel Verbrauchsmaterialien wie Kunststoff, Papier, Metall oder Glas, zerkleinert und in ein wiederverwendbares Produkt umgewandelt. Beim Upcycling wiederum wird aus einem unbrauchbar oder nutzlos gewordenem Produkt ein neueres mit besserer Qualität hergestellt. Die Idee ist dabei, dass Artikel aus recycelten Materialien noch begehrenswerter sein können als die Originalprodukte.

Warum ist Upcycling so beliebt geworden?

Innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren das Bewusstsein dafür entwickelt, dass die Wirtschaft nicht weiter unendlich wachsen kann, ohne dass wir unsere Lebensgrundlage dabei zerstören. Das daraus entstandene Umweltbewusstsein hat im Prinzip zu einem kollektiven Innovationsgeist und einer Upcycling-Kultur in nahezu allen Lebensbereichen geführt. Heute gibt es Hausbesitzer, die nach Wegen suchen, um ihr Bau-Budget zu vergrößern, oder Studenten, die (eigentlich schon immer) an Geldmangel leiden. Jeder kann mittlerweile ein Upcycling-Projekt in Angriff nehmen, Geld sparen und schöne, selbstentworfene Gegenstände herstellen, während er gleichzeitig zur Rettung unseres Planeten beiträgt.

Die Vorteile des Upcycling

Die ökologischen Vorteile des Upcyclings sind enorm. Es hilft nicht nur, die schockierende Menge an weggeworfenen Materialien und Abfällen einzudämmen, die jedes Jahr auf Mülldeponien landen, sondern verringert auch die Nachfrage nach dem Einsatz neuer Materialien oder Rohstoffe in der Produktion. Diese innovative Methode der Materialbeschaffung und -herstellung hat dabei eine völlig neue und florierende Branche geschaffen. Und bedeutet außerdem die Rückkehr zu Handarbeit und -kunst. Upcycling ist damit auch der erste Hauch frischer Luft nach Jahrzehnten der Massenproduktion in allen wichtigen Verbraucherindustrien.

Upcycling heißt in Japan Kintsugi


Übrigens: In Japan ist das Konzept des Upcyclings schon seit vielen Jahrhunderten bekannt und kann uns auch heute noch Inspiration für eigene Ideen zur Aufwertung alter und kaputter Gegenstände geben. Beim Konzept des Kintsugi geht es vor allem um das Reparieren zerbrochener Porzellangegenstände. Während in Europa zerbrochene Keramik nur noch ein Fall für den Abfalleimer ist, wird das Zusammenkleben und Neuanordnen von Porzellanscherben in Japan bis heute als eigene Kunstform angesehen. Kintsugi ist dabei mehr als nur eine geschickte Reparatur. Die Methode bringt neues Leben in alte Objekte und repariert auch ihre Fehler in den Verzierungen. Nur noch eine Handvoll Meister beherrschen diese Technik, bei der jedes einzelne Fragment mehrmals mit einem speziellen Baumharz beschichtet und dann mehrere Monate lang getrocknet wird. Feine Gold- oder Silberpigmente im Füllstoff verwandeln die Risse in glänzende Verzierungen.

Upcycling ist gut und wichtig, und funktioniert in vielen Bereichen sehr gut, aber wie sieht es eigentlich in der Fashion-Industrie aus? Schließlich werden Jahr für Jahr Millionen Tonnen Kleidung nahezu ungetragen wieder entsorgt. Wir stellen Circularity vor, das aus Kleidung einen echten Kreislauf machen soll.