Living Coral – Statement gegen eine oftmals düstere Realität

Living Coral, Pantone Farbe des Jahres 2019
Living Coral, Farbe des Jahres 2019 ©istock/Artjafara
Pantone hat sich entschieden: DIE Farbe des neuen Jahres wird eine Art Orange, ein leicht rosafarbener, gedämpfter Terrakotta-Ton namens "Living Coral" sein. Nach dem Ultraviolett für 2018 setzt das einflussreiche, amerikanische Unternehmen nun also auf die Farbe lebendiger Korallen, die sowohl ein Symbol für Zartheit, Komplexität und Schönheit als auch für ihre Gefährdung durch die ökologische Apokalypse sind.

Nach einem Jahr voller schlechter Nachrichten hätte man mit einer pessimistischen Farbwahl rechnen können. Mit dem leuchtenden Gelb der Warnwesten aus Frankreich, dem aschgrau der verbrannten Villen von Malibu oder dem Dunkel des zu erwartenden Schwarzen Lochs, das der Brexit zu werden verspricht. Doch Pantone setzt 2019 auf Optimismus und die Sehnsucht nach einer warmen, natürlichen und soliden Farbe. Living Coral – lebendige Koralle – ist bei PANTONE unter der Nummer 16-1546 gelistet und soll die Aufmerksamkeit der Welt auf die Schönheit der Natur, auf die Schönheit eines lebendigen Organismus lenken, der in den sich zunehmend erwärmenden Ozeanen in rasanter Geschwindigkeit stirbt.

Ursprung der unvergleichlichen Farbenpracht eines Korallenriffs

Damit hat sich Pantone seit Jahren mal wieder für eine Farbe aus der Familie der Orangetöne und für einen lebhaften, warmen Ton (der letzte war 2012 Tangerine Tango) entschieden. 1911 schrieb der abstrakte, russische Maler Wassily Kandinsky über Orange: „Diese Farbe ist wie ein Mann, der völlig von seinen eigenen Kräften überzeugt ist“. Und so zielt Orange auch gemeinhin auf ein breites Publikum, auf den berühmten Mainstream.

Nicht umsonst sind die Logos global agierender Unternehmen (SAP, Sixt, amazon, Mastercard) in Orange gehalten. Doch die Farbe „Koralle“ (auch in ihrer spezifischen Ausführung „Living Coral“) ist weit komplexer als Orange. Denn sie stellt den spezifischen Bezug zum Ozean und zu der unvergleichlichen Farbenpracht eines Korallenriffs her. Die Farbe Living Coral verführt uns zur Meditation über die wärmende Schönheit der Natur und präsentiert DEN Kontrast zu den bittersüßen Trauertönen der Apokalypse.

Living Coral Lippenstift
Lippenstift in der Farbe Living Coral ©istock/YuraWhite

Die Farbe der Verwurzelung – der Verbindung zur Erde

Mit einem eigenen Namen wurde die Farbe „Koralle“ erstmals 1513 im „Dictionary of Colour“ erwähnt. Doch natürlich hat dieser Ton, der neben dem wirbellosen Kleintier auch an Sonnenuntergänge, Wüstenstein und Lehmhütten erinnert, eine viel weiter zurückreichende Kulturgeschichte. Innerhalb der Hindu-Religion und der Yoga-Philosophie ist Coral zum Beispiel die Farbe für das Muladhra-Chakra, welches für Wurzeln und damit für die Verbindung mit der Erde steht und die Stelle bezeichnet, wo die Ur-Energie Kundalini sitzt. Das Symbol des Muladhara umfasst vier rote Korallenblätter, die universelles Glück, natürliche Freude, Freude an der Kontrolle über die Leidenschaften und die Glückseligkeit der Konzentration darstellen.

 

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Das Jesuskind trug stets Koralle

Die Koralle in der Natur ist ein Kalziumkarbonatskelett, welches von einem winzigen Tier, einem Unterwasserpolypen gebildet wird. Korallen, die von den Polypen gebildet werden, also einen lebendigen Kern haben, besitzen zumeist genau jene Farbe, die jetzt von Pantone für das Jahr 2019 gewählt wurde. Am Ende schließen sich zahllose Korallen zu Kolonien zusammen und bilden genau jene Riffe, die von Menschen ob ihrer Artenvielfalt und Farbenpracht seit jeher so bewundert werden.

Schon im Ägypten der Pharaonen wurden Korallen geerntet und als Schmuck getragen. Vor allem im antiken Griechenland und im Römischen Reich galten rote Korallen als wertvolle Kostbarkeit, die gegen Krankheiten, Blitzschlag und Misswuchs schützen sollten. Ein Glaube, der bis in die Renaissance lebendig blieb. Rosarotfarbene Korallen sollten vor allem Kinder vor Unheil beschützen. Nicht umsonst wurde das Jesuskind auf Gemälden oft mit Korallenamulett und einem Korallenast um den Hals dargestellt. Korallen wurden auch in der Viktorianischen Ära hoch geschätzt. Aus ihnen wurden feine Portraits geschnitzt, die in ein glattes Art Deco eingearbeitet wurden. Völlig unbearbeitet sollten die Korallen allerdings für die Hippies der 1960er und 70er Jahre bleiben. Immerhin waren sie DAS Symbol des Lebens.

Wer Coral zudem hoch schätzte, waren die Maler des Impressionismus. Vor allem auf der weißen Steilküste der Normandie soll sich das Sonnenlicht in dieser Farbe gezeigt haben. Die Sonnenaufgänge von Claude Monet oder auch die Sonnenschirme von Martha Walter sind heute noch Zeuge. Auch Paul Cézanne und Paul Gauguin in Französisch-Polynesien waren von der Farbe der Korallen begeistert und verewigten sie in ihren Gemälden.

Impression, Sonnenaufgang, Claude Monet, 1872 gemeinfrei
Impression, Sonnenaufgang, Claude Monet, 1872

Korallen haben nicht immer dieselbe Farbe

Dabei muss festgestellt werden, dass Korallen natürlich nicht immer dieselbe Farbe haben. Es kann sich bei ihnen sowohl um ein rosiges Rot als auch um ein seltenes Gold oder sogar um ein Tintenschwarz handeln. Sogar Pantones Living Coral, diese für viele Korallen so typische Färbung von Rosa-Rot-Orange, kann bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen zwischen den Tönen schimmern. Eigentlich ist es ja das Ziel des amerikanischen Farbherstellers Pantone die verschiedenen Farbnuancen zu standardisieren. Doch mit dieser offensichtlich multivalenten Wahl sollen die Benutzer und Betrachter wohl auch darauf hingewiesen werden, dass eine Farbe oftmals auch von der ganz subjektiven Einschätzung des Betrachters abhängt.

Living Coral – Verlangen nach Gemeinschaft, Verbindung und Verständnis

Und so bietet Living Coral, Pantones Farbe für das Jahr 2019, ein ganzes Spektrum an Assoziationen. Eine von ihnen ist die der emotionalen Verjüngung und die Ausdehnung über die begrenzte Perspektive des eigenen Denkens hinaus. Korallen sind Tiere, die für sich selbst sehr klein und filigran sind, die sich aufgrund ihrer großen Ansammlung auch zahllosen und permanenten Nachwuchs kreieren und in der Masse gigantische Riffe bilden können, die sich weit über ihren ursprünglichen Bewegungsradius hinweg ausdehnen.

Living Coral ist außerdem eine Farbe des Mitgefühls und des höheren Bewusstseins. Sie fordert uns dazu auf, über den Tellerrand hinauszudenken, über unsere eigenen persönlichen Erfahrungen hinaus nach mehr Perspektive zu schauen. Wenn man eine Mischung aus orangefarbenen, roten und rosafarbenen Korallen besitzt, erinnert man sich an seine eigene emotionale Revitalisierung: Coral hat eine sanfte Resonanz und eine leichte Energie, die vor allem jene Menschen aufnehmen, die sich damit verbunden fühlen. Living Coral ist eine freundliche und emotional intelligente Farbe. Wenn wir uns mit Korallen umgeben, fühlen wir oft ein stärkeres Verlangen nach Gemeinschaft, Verbindung und Verständnis.

Korallenriff im roten Meer, Ägypten
Korallenriff im roten Meer, Ägypten ©istock/vlad61

Plastikmüll und Sonnencreme gefährden Korallenriffe weltweit

Die zahlreichen Korallenriffe weltweit gelten neben den Regenwäldern als die Biotope mit der größten Artenvielfalt. Hier leben 25 Prozent aller uns bekannten Meeresfische und bis zu 300.000 verschiedene andere Arten. Korallenriffe existieren auf der Welt seit über 200 Millionen Jahren und sind damit die ältesten ökologischen Systeme der Erde. Mittlerweile sind sie jedoch – vor allem durch die schrittweise Erwärmung der Ozeane – nahezu ausnahmslos vom Absterben, der sogenannten Korallenbleiche, bedroht. Neben der globalen Erwärmung werden vor allem zwei weitere Faktoren für die Schädigung der Riffe verantwortlich gemacht.

Das eine ist der Einsatz von Sonnencreme. 14.000 Tonnen landen davon jährlich im Ozeanwasser. Das darin enthaltene Benzophenon-2 (kurz BP-2) kann selbst in geringsten Mengen die tödliche Korallenbleiche verursachen. Seit diese Kosmetika in den 1960er Jahren auf den Markt kamen, verschwanden allein in der Karibik über 80 Prozent aller Korallen. Nicht umsonst hat die Regierung auf Hawaii ein Gesetz verabschiedet, welches 2021 in Kraft tritt und den Einsatz von Oxybenzon in Strandkosmetik verbietet.

Ein anderer Killer von Korallen ist Plastikmüll. Fast zwölf Milliarden großer und kleiner Plastikteile sollen alleine in den Korallenriffen des Asiatischen Pazifiks feststecken. Und das ist für die sensiblen Kleinsttierchen äußerst gefährlich. Wie Forscher herausfanden, steigt bei einer Vermüllung mit Plastik das Krankheitsrisiko von Korallenriffen von normalerweise 5 Prozent auf 90 Prozent an.

Die Wahl von Living Coral zur Pantone-Farbe des Jahres 2019 sollte die Menschheit weltweit für diese Fakten sensibilisieren. Wann immer einem diese Farbe in den kommenden Monaten begegnet, sollte jeder sich überlegen, was er für den Schutz einer der größten Geschenke der Natur tun kann.