Warum Frauen immer noch so viel mehr Hausarbeit machen

Frau mit Kind auf dem Arm saugt Staub während Mann auf dem Sofa sitzt und Handy nutzt
© istock/grinvalds
Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2020 und hinter der westlichen Zivilisation liegen bereits mehr als 150 Jahre Emanzipation und damit rasanter Fortschritt in der Gleichstellung der Geschlechter in allen Gesellschaftsbereichen. In allen? Nein, nicht in allen, denn auch heute noch erhalten Männer, die die Haushaltsarbeit vernachlässigen einen Freifahrtschein, während sich Frauen, die ähnliche Unordnung zulassen, schlimmsten Verdächtigungen aussetzen. In den letzten Jahren sind in verschiedenen Ländern darüber zahlreiche Studien durchgeführt worden, die alle bestätigen, was viele Frauen instinktiv längst wissen: Hausarbeit gilt nach wie vor als Frauenarbeit - insbesondere für Frauen, die mit Männern zusammenleben.

Auch wenn Männer mehr Zeit für häusliche Aufgaben aufwenden als Geschlechtsgenossen früherer Generationen, erledigen sie in der Regel keine traditionell weiblichen Aufgaben wie Kochen und Putzen. Und: Frauen werden nach wie vor deutlich negativer beurteilt, wenn sie ein unordentliches Haus haben und ihre Hausarbeit vernachlässigen. Wir von CARLMARIE wollen uns deshalb etwas genauer mit diesem Thema auseinandersetzen und dabei feststellen, inwieweit diese Ungleichverteilung partnerschaftliche Beziehungen belasten kann, wie die Rollen bei homosexuellen Paaren mit gemeinsamem Haushalt verteilt sind und warum Frauen nach wie vor denken, dass es ihre evolutionäre Pflicht ist, für Sauberkeit im Haushalt zu sorgen.

„Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann.“

… ist der Titel eines Schlagerliedes der Schauspielerin Johanna von Koczian, welches diese bereits 1977 sang, aber kaum an Aktualität eingebüßt hat. Nicht umsonst erinnerte selbst Wolfgang Schäuble Anfang 2019, zum 100. Jahrestag der ersten Teilnahme von Frauen an Wahlen in Deutschland daran, dass „wir die für unsere Gesellschaft unverzichtbaren Tätigkeiten, die auch heute noch ganz überwiegend Frauen unbezahlt verrichten, anders aufteilen müssen: Kindererziehung, Hausarbeit, Pflege. Wir Männer sollten an diesen Umstand gelegentlich mit Nachdruck erinnert werden“. Diverse Umfragen beweisen, dass die Arbeit im Haushalt nach wie vor ins Aufgabenfeld von Frauen fällt, ohne dass diese dafür größere Anerkennung, regelmäßiges Lob oder gar eine Bezahlung erhalten würden. Dabei scheint das Thema Frauen wirklich seit Jahrzehnten umzutreiben, ohne dass eine Art Gleichberechtigung in Sicht wäre. Schon 1949 schrieb die Französin Simone de Beauvoir in ihrem Standardwerk des Feminismus „Das andere Geschlecht“: „Hausarbeit ist ärgerlich, denn wenn Sie eine Frau ist, die mit einem Mann zusammenlebt, ist es höchstwahrscheinlich, dass sie es tun wird. Das meiste davon, egal wer mehr verdient oder länger im Büro verbringt.“ Und JK Rowling antwortete in einer BBC-Dokumentation auf die Frage, wie sie Zeit gefunden habe, um das erste Harry-Potter-Buch zu schreiben, während sie ein Baby alleine großzog. „Ich habe vier Jahre lang keine Hausarbeit gemacht. In Elend zu leben, das war die Lösung und das Resultat.“

Was ist an der Hausarbeit so ärgerlich?

Warum beschäftigt das Thema Hausarbeit also die Frauen so sehr oder anders gesagt, was ist an der Hausarbeit so ärgerlich? Ganz offensichtlich, weil diverse Aufgaben wirklich keiner gerne macht. Weder Männer noch Frauen mögen es, die Toilette zu reinigen oder schimmliges Gemüse aus der unteren Schublade des Kühlschranks zu ziehen. Andere Arbeiten gleichen der des antiken Helden Sisyphos. Geschirr wird eben nur gespült, um sich schon wenige Stunden wieder in der Spüle zu türmen, und Spielzeug wird nur deshalb unter dem Sofa hervor gezerrt, damit das Kind es postwendend wieder dorthin zurückbefördern kann. Staubsaugen oder das Abnehmen und Waschen der Gardinen gilt ebenfalls als „unmännlich“. Lediglich beim Müll herunterbringen, scheint es dem Mann vorbehalten zu sein, diese einzige Aufgabe von seiner Frau fernzuhalten.

Frauen mehr Arbeit ohne Bezahlung, Männer mehr Arbeit mit Bezahlung

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat erst vor wenigen Monaten einige überaus interessante Fakten zu Tage befördert. Danach ist das Gesamtvolumen an bezahlter und unbezahlter Arbeit bei Frauen und Männern während der Wochentage ungefähr gleich. Mit dem kleinen aber entscheidenden Unterschied, dass Männer elf Stunden mehr bezahlte Arbeit und Frauen logischerweise elf Stunden mehr unbezahlte Arbeit, vorrangig im Haushalt, leisten. Selbst an freien Sonntagen arbeiten Frauen durchschnittlich immer noch 1,5 Stunden mehr unbezahlt als Männer. Frauen erledigen im Haushalt mehr regelmäßig anfallende Arbeiten wie Wäschewaschen, Einkaufen oder Kinderabholung, während Männer sich um „seltene und unregelmäßig auftretende“ Arbeiten wie Bohren oder Rasenmähen kümmern würden. Auch in gemeinsamen Haushalten ohne Kinder, so die Studie weiter, wenden Frauen an Wochentagen doppelt so viel Zeit für anfallende Haushaltsarbeiten auf wie ihre Männer. Bei Kindern im Haushalt unter sechs Jahren ist der Aufwand der Frauen sogar dreimal so hoch wie bei ihren männlichen Partnern. Auf ähnliche Zahlen kommt eine Studie des University College London. Die Untersuchung von 8.500 gemischtgeschlechtlichen Haushalten ergab, dass Frauen über 90 Prozent aller im Haushalt anfallenden Arbeiten erledigen würden. Frauen in Großbritannien wenden im Schnitt 16 Stunden pro Woche für die Hausarbeit auf, während es bei Männer lediglich sechs sind.

Auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren sind die Aufgaben unfair verteilt

Auch gleichgeschlechtliche Paare sind offenbar nicht gegen die traditionellen Erwartungen gefeit. 2016 präsentierte eine amerikanische Studie seinen homosexuellen Probanden fiktive Berichte über schwule und lesbische Haushalte und forderte sie auf, zu beurteilen, welcher Partner die Verantwortung für Kinderbetreuung, Lebensmittel, Wäsche und das Reparieren des Autos übernehmen sollte. Die Befragten ordneten die stereotypen weiblichen Aufgaben zuverlässig dem Partner zu, der die eher stereotypen weiblichen Interessen hatte, wie etwa die Vorliebe für Einkäufe oder romantische Komödien.

Die Haushaltsarbeit scheint sich allen Trends zu verweigern

Rätselhaft ist, dass die Hausarbeit nicht den gleichen Trends zu folgen scheint, wie die meisten anderen Aspekte im Kampf um Gleichberechtigung. Im Laufe der vergangenen 50 Jahre sind in den Industrieländern immer mehr Frauen zur Arbeit gegangen, das geschlechtsspezifische Lohngefälle hat sich stetig verringert und Väter verbringen immer mehr Zeit mit ihren Kindern. In den 1980er Jahren schien sich sogar die „Hausarbeitslücke“ weitgehend zu schließen. Männer räumten mehrheitlich ein, dass sie im Haushalt mehr tun sollten als zuvor – aber nachdem sie wohl eher halbherzig das Wohnzimmer gesaugt und ein angefeuchtetes Tuch über den Esstisch geführt hatten, folgerten sie, dass es wieder Zeit für ein Bier im Hobbykeller war. In Großbritannien leisteten nach Angaben des Office for National Statistics im Jahr 2016 Frauen im Durchschnitt fast 60 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Sogar in Schweden – dieser Bastion der Gleichberechtigung, in der „Latte Papas“ in modischer Strickware eine Vollzeit-Vaterschaft wählen, ohne dass dies ihren Sinn für Männlichkeit beeinträchtigen würde – mussten Frauen im Durchschnitt 45 Minuten pro Tag mehr Zeit für unbezahlte Hausarbeit investieren.

Sind daran wirklich die Männer schuld?

 

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Es wäre jetzt natürlich einfach, diese Ungleichheit den Männern und ihrer Faul- und Trägheit in die Schuhe zu schieben. Aber diverse Untersuchungen über den Kern des Problems legen nahe, dass dabei etwas viel Komplizierteres vor sich geht. Ein elementarer Bestandteil der Debatte besteht immer noch darin, dass Frauen ihren Männern gar nicht zutrauen, diverse Haushaltsarbeiten in der von ihnen vorgegebenen Qualität durchzuführen. In einer Umfrage in den USA gaben einige Frauen zum Beispiel an, dass sie Aufgaben aus genau diesem Grund eher an ihre Kinder als an ihren Ehemann delegieren würden. Die US-amerikanische Schriftstellerin Tiffany Dufu bezeichnet das in ihrem Selbsthilfebuch „Drop The Ball“ als „Home-Control-Krankheit“ und diagnostiziert sich selbst als eine von einer Krankheit langsam Genesende. Ihre Grundthese: Die ungleich verteilte Hausarbeit sei in viel höherem Maße auf den verinnerlichten Sexismus der Frau als den äußeren Sexismus des Mannes zurückzuführen. Klar trinken Männer gerne Bier und schauen Fußball, aber der heimtückische, eigentliche Grund für die Ungleichverteilung in der Hausarbeit bestehe darin, dass die normale Frau offenbar dazu erzogen wurde, ein blitzblank sauberes Zuhause als Zeichen ihres gesellschaftlichen und familiären Wertes zu sehen.

Leiten Frauen ihren Wert von der Qualität ihrer Hausarbeit ab?

„Wir sind von Dingen besessen, die ehrlich gesagt nicht wirklich wichtig sind, weil sie uns eher anerzogen wurden, als dass sie einen unabhängigen Wert besäßen“, sagt Dufu. „Ein gut geführtes Zuhause ist immer noch eine geschlechtsspezifische Erwartung, weshalb es für Männer so schwierig ist, denn sie messen dem einfach nicht denselben Wert bei wie wir Frauen.“ Ein Mann, so die Amerikanerin, der der häuslichen Sauberkeit einen hohen Stellenwert beimisst, ist in den Augen der Öffentlichkeit nur ein „sauberer Mann“; eine Frau allerdings, die ihre Hausarbeit nicht absolut perfekt erledigt, ist eine schlechte Frau. Zahlreiche Forscher argumentieren mittlerweile, dass dies wahrscheinlich die Tendenz von Männern erklärt, weniger Hausarbeit zu verrichten, und dass Frauen einen noch größeren Anteil an der Hausarbeit haben, wenn sie überdurchschnittlich viel Geld verdient: Beide Geschlechter, die unbewusst durch ihre Verletzung traditioneller Geschlechtsnormen gestört sind, beginnen, hyperkonventionell zu handeln, also ihren vermeintlichen „Fehltritt“ durch noch hypertraditionelle Verhaltensweisen zu kompensieren. Ein zentraler Begriff in diesen Verhaltensmustern ist die sogenannte „Sorgenarbeit“, die gefühlt ausschließlich von der Frau erledigt wird und in der Regel in dem Satz mündet „Ich würde mich ja schon freuen, wenn er wenigstens einmal im Monat das Bad sauber machen würde, ohne dass ich ständig daran erinnern müsste.“

Haben Männer die gleiche Freude an einem sauberen Zuhause?


Und natürlich haben die Frauen auch ein bisschen recht. Alle anekdotischen Beweise deuten darauf hin, dass sich Männer im Allgemeinen nicht so sehr für ein sauberes und aufgeräumtes Zuhause interessieren wie Frauen. „Es gibt keine Standarddefinition dafür, was in einem Haushalt getan werden muss“, schreibt beispielsweise der kanadische Schriftsteller und Kulturkommentator Stephen Marche in seinem 2017 erschienenen Buch „Das ungemachte Bett: Die unordentliche Wahrheit über Männer und Frauen im 21. Jahrhundert“. Laut Marche hat zum Beispiel die Frage, was eine saubere Badewanne ausmacht, so viele Antworten wie es Menschen gibt. Noch präziser wird der Kolumnist des New Yorker-Magazins Jonathan Chait: „Ich mag es, wenn sich Zeitschriften auf dem Kaffeetisch stapeln. Meine Frau mag es nicht. Ich werde nicht protestieren, wenn sie sie irgendwo anders hinstapelt, aber wenn sie es tut, betrachte ich es nicht als ihre Teilnahme an den gemeinsamen Haushaltspflichten.“ Die „Hoffnung der Zukunft“, so wiederum Marche, „ist für uns alle: weniger tun! Hausarbeit ist vielleicht das einzige politische Problem, bei dem weniger tun und sich nicht darum kümmern, die Lösung sind. Lassen Sie die Treppe unordentlich. Befestigen Sie das Gartentor nicht. Die fleckige Decke kann nicht neu gestrichen werden. Mach niemals das Bett.“ Und die Ansprüche der Frau? Nun ja, wir neigen wohl dazu, anzunehmen, dass es eine Möglichkeit geben muss, das Leben so zu organisieren, dass unser Zuhause ordentlich bleibt, ohne dass Frauen in ihrer Karriere ausgebremst werden. Aber wer sagt, dass dies ein Paradox ist, das gelöst werden kann? Am Ende, so Tiffany Dufu, hilft nur eine gute Kommunikation. „Wenn Sie entschieden haben, dass das Auto sechs Monate lang nicht gereinigt wird, ist es einfach für niemanden ärgerlich, wenn das Auto nicht gereinigt wird. Erstellen Sie einfach Anfang des Monats eine Liste, welche Dinge für Sie selbst, den Partner und für keinen von beiden wichtig sind. Dann kann sich jeder um seine eigenen Standards kümmern und was für keinen von beiden wichtig ist, wird eben auch nicht erledigt.“

Weitere Studien und einige skurrile Fakten

Eine der jüngsten Studien in der Zeitschrift Demography analysierte zahlreiche Haushalts-Daten und stellte fest, dass mit Männern verheiratete Mütter deutlich mehr Hausarbeit leisteten als alleinerziehende Mütter, dabei auch weniger schliefen und gefühlt weniger Freizeit hatten. Möglicher Grund für dieses seltsame Phänomen könnte laut Joanna Pepin, Soziologin an der Universität von Maryland und eine der Autorinnen, sein, dass verheiratete Frauen stärker unter dem Druck stehen, gute Ehefrauen und starke Partnerinnen sein zu müssen und deshalb auch ihre Bemühungen im Haushalt stark intensivieren. Eine andere Deutungsmöglichkeit ist, so Pepin, dass Männer einfach aufgrund ihrer Unordnung für zusätzliche Hausarbeit verantwortlich seien. Alleinerziehende Mütter seien darüber hinaus müder, außerdem würden in solchen Haushalten Kinder freiwillig mehr Aufgaben übernehmen.

Eine andere aktuelle Studie in der Fachzeitschrift Gender & Society untersuchte Männer und Frauen in Ehen und stellte fest, dass Männer, die in Städten leben, zwar weniger Zeit im Freien als Männer in Vorstädten oder auf dem Land verbringen, jedoch keine zusätzliche Zeit dafür aufwenden, Hausarbeiten zu übernehmen. Frauen hingegen verbringen mehr oder weniger die gleiche Zeit mit Hausarbeit, unabhängig davon, ob sie in einer Stadt oder auf dem Land leben.

In einer anderen, im amerikanischen Fach-Magazin Sociological Methods & Research veröffentlichten Studie, ging es darum, welche Rolle die Einschätzung spielen könnte, eine Arbeit im Haushalt als besonders männlich oder besonders weiblich einzuschätzen. Die Forscher führten dafür ein Experiment durch, bei dem 624 Menschen ein Foto eines unordentlichen Wohnzimmers und einer unordentlichen Küche sowie die saubere Version derselben Räume gezeigt wurden. Die Ergebnisse entlarvten zum einen die uralte Ausrede, dass Frauen eine von Natur aus geringere Toleranz für Unordnung und Schmutz haben. Denn die Männer bemerkten Staub und Unordnung ebenso wie die weiblichen Probanden. Als den Teilnehmern mitgeteilt wurde, ob eine Frau oder ein Mann die jeweiligen Zimmer bewohnte, wurden die Zimmer der Frauen deutlich unordentlicher und schmutziger eingeschätzt, als dieselben Zimmer mit exakt der gleichen Unordnung der männlichen Bewohner.

Bei den Männern wurde außerdem angerechnet, dass diese zwar unordentliche Zimmer hätten, in diese allerdings durchaus Gäste einladen könnten, weil die Sauberkeitsstandards nicht so hoch seien. Forscher, die an dieser Studie beteiligt waren, resümierten danach, dass zwar auch Männer als schlampig und chaotisch wahrgenommen würden, das aber nicht so wichtig sei, da dies keine zu erwartenden sozialen Konsequenzen haben würde.