Navajo, Aztec, Aborigine: Ethno-Muster voll im Trend

Ethno-Muster: Massai in traditioneller Kleidung
Massai in traditioneller Kleidung (bis auf die Brille)©istock/sansara
Einstmals galt sie als Spleen von Hippies und weltbewegten Globetrottern: Kleidung mit folkloristischen Ethno-Mustern, die so aussahen, als wären sie aus den Händen von Naturvölkern oder Bauern aus vorindustriellen Idyllen gekommen. Doch längst haben die sogenannten "Native Prints" ihr Nischendasein beendet und den Mode-Mainstream erobert.

Doch was genau sind Ethno-Muster, was unterscheidet zum Beispiel den afrikanischen Dutch Wax Print vom indianischen Chinle Pattern? Und wie und von wem werden diese Muster hergestellt? CARLMARIE ist den wichtigsten Fragen rund um das Folklore Outfit nachgegangen und hat hier eine kleine Musterkunde zusammengestellt.

Was heute selbstverständlich scheint, war in den frühen 1970er Jahren Avantgarde und auf dem Höhepunkt der Hippie-Ära der rebellischen Jugend vorbehalten. Ethno-Prints auf Kleidungsstücken galten als Ausdruck der Gegenkultur und wurden von Kenzo Takada, einem Fashion-Designer aus Japan, erstmals 1974 auf den Catwalk geholt. Schon zwei Jahre später widmete kein Geringerer als Yves Saint Laurent der Folklore-Mode eine komplette Kollektion. Seitdem sind fast 40 Jahre vergangen und Ethno-Muster liegen immer noch voll im Trend. Bereits vor zehn Jahren trug der französische Modeschöpfer Nicolas Ghesquière Web- und Druckstile aus der ganzen Welt zusammen, vermischte sie in einem globalen Stil-Cocktail und begründete so die immer noch aktuelle Ethno-Mode.

Seitdem sind die farbenfrohen Muster nicht mehr nur auf Kleidungsstücken sondern auch auf Hüten, Schmuck und Möbeln zu finden. Doch einen wirklichen Schub hin zu einem DER Mode-Hypes der letzten Jahre erfuhren Native Prints durch das Musikfestival Coachella. Nachdem 2012 etliche Fotos, auch von Prominenten wie Paris Hilton oder Schauspielerin Diane Kruger, aus der kalifornischen Wüste in die Modeblogs und sozialen Netzwerke wie Instagram geschwappt waren, galten „Indianer-Klamotten“ und grelle Gesichtsbemalungen auf einmal auch in London, Paris und Berlin als oberlässig und maximal cool. Der Stil ist heute deutlich vielfältiger und kosmopolitischer als noch vor 40 Jahren. Und damit Ihr im „Dschungel“ der Ethno-Prints nicht den Überblick verliert, stellen wir hier die wichtigsten Vertreter und die entsprechenden Hintergründe vor:

Navajo

Lange Zeit war es das, was die Amerikaner als „Ethno-Print“ bezeichneten: die Webmuster der nordamerikanischen Navajo-Indianer aus den heutigen US-Bundesstaaten Arizona, Colorado, New Mexico und Utah. Rein historisch haben die Navajo ihre Techniken vom benachbarten Stamm der Pueblo übernommen und diese ihre wiederum von den spanischen Conquistadores. Die Pueblo-Indianer webten in ihre Teppiche und Ponchos ursprünglich nur horizontale Linien, während die Navajo ihrerseits Diagonalen und ihre charakteristischen Rauten, die sogenannten „lazy lines“, hinzufügten.
Diese Web-Tradition geht wohl zurück bis ins frühe 17. Jahrhundert, doch erst 1860 machten weiße Siedler dazu erstmals Notizen in ihren Aufzeichnungen, auch weil die Textilien, gefertigt aus dicker Schafswolle, mittlerweile zum Verkaufshit geworden waren.
Nachdem die Modekette Urban Outfitters die weltweit bekannten Navajo-Muster, ohne die Erlaubnis des Copyright tragenden Stammes, verwendet hatte, wurde sie von diesem erfolgreich verklagt. Dass es auch anders geht, beweist zum Beispiel die Firma Pendleton Woolen Mills, die seit 1909 enge Kontakte zu den amerikanischen Indianerstämmen pflegt und trotzdem kommerziell erfolgreich ist.

 

Ganado

Das Ganado-Muster wurde im späten 19. Jahrhundert in die Navajo-Webtechniken eingeführt. Es enthält ganz spezifische Designelemente, so zum Beispiel Rauten in Form von Diamanten, Kreuze und Bänder. Das Ganado-Design verwendet typischerweise tiefrote Pflanzenfarben, um einen randlosen, geometrischen Print zu schaffen. Die meisten gezackt-gewebten Drucke in tiefen, natürlichen Farbtönen wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Ganado-Design inspiriert.

 

Chinle Pattern

Nochmal 100 Jahre später entstanden innerhalb der Navajo-Webkunst die sogenannten Chinle-Muster. Hier spielen vor allem die Farben Schwarz, Weiß und Rot sowie breite Streifen mit Zacken und wechselnden Formen eine Rolle. Ab den 1930er Jahren waren Teppiche mit Chinle-Muster in amerikanischen Wohnzimmern überaus populär. Heute findet sich dieses Ethno-Muster auf Kleidung, Schuhen, Accessoires, Möbeln, also so ziemlich allem wieder.

 

Dutch Wax Print

Kleidung bedruckt mit sogenannten Dutch Wax Prints wird in der Regel mit afrikanischen Stämmen in Verbindung gebracht und tatsächlich beherrschen diese Stoffe afrikanische Märkte und den afrikanischen Alltag. Bekannt für seine spritzigen, superhellen Farben und übergroße Muster werden Dutch Wax-Stoffe verwendet, um traditionelle Kleidungsstücke (z.B. Kitenges) zu kreieren, die von Frauen im östlichen und südlichen Afrika getragen werden.

Bei den in verschiedenen Verarbeitungsschritten gefärbten Stoffen werden mittels Schablonen geometrische Muster aufgebracht und der Stoff danach ein letztes mal eingefärbt. Die Wachsdrucke und Schablonen verhindern das Eindringen der Farbe an den entsprechenden Stellen. Die Dutch Wax Prints erkennt man an ihren Batik ähnlichen Formen und Mustern. Und schon der Name sagt, dass es sich hier gar nicht um original afrikanische Muster handelt. Denn ursprünglich wurde die Technik im 19. Jahrhundert in Holland entwickelt und war für die Kolonie Indonesien vorgesehen. Sklaven aus Westafrika brachten diese letztlich mit zurück in ihre Heimat und machten die Dutch Wax Prints auf dem ganzen schwarzen Kontinent zu einem stilprägenden Verkaufshit.

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Massai

Wirklich original afrikanisch sind hingegen Ethno-Muster der Massai. So ist beispielsweise bei SUNNY DESSOUS ein Bikini-Oberteil erhältlich, welches auf der Vorderseite eine aufwändige Gestaltung aufweist. Mit Perlen handgestickte Motive, Massai-inspiriert und mit einer Kaurimuschel als zentralem Element.

Native-Print Bikini im Massai-Design
© Sunny-Dessous

 

Aztec

Ein wirklicher Klassiker unter den Ethno-Mustern ist der sogenannte Aztec-Print. Bei den Azteken spielte die Herstellung von Kleidungsstücken eine zentrale Rolle in der streng hierarchisch aufgebauten Gesellschaft. Ein höherer Rang musste mit entsprechend wertvoller Kleidung klar zum Ausdruck gebracht werden. Die Azteken kannten für die Webkunst einen eigenen, mächtigen Gott. Muster und Verzierungen wurden gewoben oder eingestickt, gebatikt und gefärbt und hatten meist einen religiösen Bedeutungshintergrund.
Heute verbindet man mit dem Azteken-Muster vor allem Motive und Verzierungen mit Zick-Zack-Muster und Rautenform. Seit 2013 wird dieser Trend im Textildesign immer häufiger aufgegriffen. Oft verwendet man hierfür auch die englische Bezeichnung aztec print. Bei den aktuell als „aztec print“ verwendeten Mustern handelt es sich allerdings eher um Ikat-Drucke oder einfach nur um freihändig hergestellte Computergrafiken, die dem Interessenten eine Atmosphäre von Exotik vorgaukeln sollen.

 

Ikat

Hierbei handelt es sich um ein Textilmuster, welches von Mexiko über Usbekistan und von Kambodscha bis Japan auf der ganzen Welt benutzt wurde. Beim Erstellen eines Ikat-Textils werden Fäden Stück für Stück eingefärbt und danach miteinander zu komplexen Mustern verwoben. Das Wort Ikat wurde der malaiischen Sprache entnommen und bedeutet in etwa „verknüpfen“, „umwickeln“ und „anbinden“. Die Technik, bei der das Ikatgarn auf Trommeln aufgespannt wird, um es danach immer wieder zu bemalen, ist eine der ältesten Techniken bei der Herstellung dekorativer Kleidungsstücke. Eine der berühmtesten Ikat-Webereien befindet sich auf Mallorca. In Asien werden sogar Sarongs und Kimonos mittels Ikat hergestellt. Allerdings ist beim Kauf Vorsicht angebracht. Immerhin sind heute die meisten der angeblichen Ikat-Prints keine echten Muster mehr.

 

Aborigine-Print

In der Kultur der australischen Ureinwohner haben die Abdrücke von Händen höchste spirituelle Bedeutung. Mittlerweile ist auch das in der Textilindustrie angekommen. So druckte das Mode-Label Rodarte 2012 Hand-Motive in Schwarz auf weiße Roben aus Seide und feierte damit große Erfolge. Mittlerweile sind urheberrechtliche Fragen mit den Aborigines geklärt und die entsprechenden Ethno-Muster können ihren Siegezug durch die Textilindustrie fortsetzen.

 

Tapa Print

Auf den Inseln im Stillen Ozean beheimatet wird Tapa-Tuch aus Rinde hergestellt und danach bemalt, gestanzt, gestempelt, geräuchert und gefärbt. Durch diesen Prozess entstehen abstrakte Tiermuster, geometrische Formen und oftmals psychedelische Muster. Typisch sind rote, schwarze und braune Farben und tropischen Motive. Die entsprechenden Stoffe werden zu feierlichen Anlässen und religiösen Ritualen getragen und haben längst auch im westlichen Modemainstream ihre Anhänger gefunden.

 

Shibori Print

Der in Japan entwickelte Prozess „Shibori“ beinhaltet das Wringen und Verdrehen von Stoffen innerhalb eines Färbungsprozesses zu interessanten und organischen Mustern. In der Regel wird mit einem blauen Farbstoff gearbeitet. Shibori hat ein paar unverwechselbare Stile hervorgebracht, darunter konzentrische Kreise, gestreiften Linien und Skalierungen.

 

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Aloha Print

Um während der Weltwirtschaftskrise eine breitere Kundschaft zu erreichen, begannen japanische Bekleidungsfirmen mit dem Verkauf kurzärmeliger Hemden aus übrig gebliebenem japanischem Kimono-Stoff. Darauf waren Motive aus Hawai, Hula-Mädchen, Früchte, Blüten und Palmen. Das „Hawai-Hemd“ und seine Motive haben sich seitdem nicht nur zu einem festen Bestandteil der hawaiianischen Mode sondern auch zu einem globalen Klassiker der Textilgeschichte entwickelt.

 

Batik-Print

Seit dem Trend um die Ethno-Muster ist auch der fast schon vergessene Batik-Print zurückgekehrt. Diese Färbetechnik ist vor allem in Afrika, dem Nahen Osten und Südostasien sehr populär. Die inspirierendsten Muster der aktuellen Mode sind allerdings den Batik-Prints der indonesischen Insel Java entnommen.